DIE VIOLA DA GAMBA

Auf der Suche nach dem idealen Klang

von Dirk Becker / PNN 2007

Selbst zu musizieren war Valentin Oelmüller früher ein Graus, bis zu einem Praktikum. Danach hatte er nur noch „Gambe im Kopf“

Damals wird Valentin Oelmüller die Hartnäckigkeit seiner Mutter im Stillen vielleicht verflucht haben. Jetzt ist er ihr dankbar. Damals wollte er sich vom Geigenunterricht nicht so recht begeistern lassen. In seiner Ausbildung hat er wieder für drei Jahre angefangen zu spielen. Damals war Musik für ihn immer nur etwas im Hintergrund, heute ist sie seine Passion. Doch der Reihe nach.

In einer Zehlendorfer Großfamilie ist Valentin Oelmüller aufgewachsen. Seine Mutter spielt Cello und so stand Hausmusik regelmäßig auf der Tagesordnung. Doch trotz Geigenunterricht wollte Valentin Oelmüller das Musizieren nicht so recht behagen. Mit seiner stillen aber überzeugenden Art hat er sich irgendwann durchgesetzt. Doch seine Mutter gab nicht auf und vermittelte ihrem Sohn, der schon immer gern bastelte, ein Schülerpraktikum beim Pariser Geigenbaumeister Ingo Muthesius. „Von da an hatte ich nur noch Gambe im Kopf“, sagt Valentin Oelmüller heute.

Mit 30 Jahren ist Valentin Oelmüller der jüngste Instrumentenbauer in Potsdam. Vor drei Jahren hat er sich in der Landeshauptstadt selbständig gemacht, anfangs in einem Hinterhof in Potsdam West, seit September hat er seine Werkstatt in der Jägerstraße.

Eine Geige an der Häuserwand und ein kleines Schild an der Klingel sind die einzigen Zeichen, die auf die Werkstatt hinweisen. Nur wer zu den Fenstern hochschaut, sieht verschiedene Bauteile, die an den Rahmen lehnen und auf das eher ungewöhnliche Handwerk hindeuten. Die Einrichtung der Werkstatt ist auf das Wesentliche reduziert. Ein langer Arbeitstisch, eine Werkbank, Regale mit Werkzeugen, an den Wänden hängen mehrere Violinen.

Wenn Valentin Oelmüller ein gutes Jahr hat, baut er sechs Gamben. Meisterinstrumente, die mehrere tausend Euro kosten. In Berlin, wo Oelmüller selbst bei Niklas Trüstedt Unterricht auf der Gambe nimmt, werden seine Instrumente gespielt. Auch an der Leipziger Musikschule hat er sich mittlerweile einen Namen gemacht. Doch als junger Instrumentenbauer sei das Geld immer knapp, sagt er. Darum bietet Valentin Oelmüller neben dem Neubau von Gamben und Barockcelli auch den Verleih von Schülergeigen an, nimmt Reparaturen vor und verkauft Zubehör.

Fragt man Valentin Oelmüller, warum er sich ausgerechnet für die Gambe entschieden hat, begründet er das mit der Person des Geigenbaumeisters Ingo Muthesius. Während seines Schülerpraktikums in Paris hat der mit ihm zusammen eine Gambe gebaut. „Auf eine ganz menschliche, eher unspektakuläre Art hat er mich für den Instrumentenbau begeistert“, sagt Oelmüller. Was vielleicht nur die halbe Wahrheit ist. Beobachtet man ihn in seiner Werkstatt, wie er in seiner ruhigen, offenen, manchmal auch ein wenig in sich gekehrten Art von seiner Arbeit erzählt, an einer Decke aus Fichte für eine Gambe die Feinarbeit erklärt und von den kunstvollen Schnitzereien der Köpfe berichtet, und wenn man dann an die ernste und oft auch introvertierte Musik für die Gambe denkt, scheint es, als hätte Valentin Oelmüller in diesem Handwerk seine Entsprechung gefunden.

Mit 17 Jahren ist Valentin Oelmüller bei Arthur Bay in Heiligenberg am Bodensee in die Lehre zum Streichinstrumentenbauer gegangen. Hier hat er auch wieder mit dem Geigenspiel begonnen, um das Instrument besser zu verstehen. In Mittenwald, dem zweiten Instrumentenbauerzentrum in Deutschland neben Markneukirchen, legte er 1996 seine Gesellenprüfung ab. Danach kam er wieder nach Berlin zurück und arbeitete in der Werkstatt von Bastian Muthesius, einem Sohn von Ingo Muthesius und machte Praktika in Hamburg. In diesen Jahren hat Valentin Oelmüller viel gelernt, viel probiert und immer mehr gemerkt, dass seine Passion die historischen Streichinstrumente sind, die bis zum Ende des 19. Jahrhundert fast ausschließlich mit Darmsaiten gespielt wurden. „Diese Instrumente waren leichter gebaut, ihr Klang artikulierter und exakter und bei weitem nicht so laut wie die modernen Instrumente.“ Und er lernte in dieser Zeit seine Frau Johanna kennen, mit der er zwei Kinder hat. Sie ist auch gelernte Geigenbauerin, hat sich jetzt aber dem Spielen zugewandt. Ende April beginnt sie ein Studium für Barockcello an der Universität der Künste in Berlin. „Sie ist für mich und vor allem auch für meine weitere Entwicklung als Instrumentenbauer der wohl wichtigste Mensch“, sagt Valentin Oelmüller.

In seiner Ausbildung und Gesellentätigkeit hat Valentin Oelmüller mit den Techniken des modernen Geigenbaus gearbeitet. Seine intensive Beschäftigung mit den historischen Instrumenten führte ihn jedoch immer stärker zur alten Bauweise. Das geht soweit, dass er eigene Darmsaiten herstellen lässt. In Marokko hat Valentin Oelmüller Menschen gefunden, die auf traditionelle und einfachste Weise Saiten aus Ziegendarm machen, die seinem Klangideal am nächsten kommen. Erst im Februar war er für ein paar Tage dort, um mit ihnen zusammen das Herstellungsverfahren zu verbessern.

Für manchen mag diese Form von Traditionalismus an Spielerei auf hohem Niveau grenzen. Für Valentin Oelmüller ist es die nötige Konsequenz bei der Umsetzung seines Klangideals. Und das verfolgt er mit einer ihm eigenen Hartnäckigkeit, wo sich der Kreis zu seiner Mutter schließt. Deren Hartnäckigkeit hat sich ausgezahlt. Sie spielt mittlerweile ein Instrument, das ihr Sohn für sie gebaut hat.

Weiteres im Internet:

www.valentin.oelmueller.info

Die Viola da Gamba (italienisch für Kniegeige) war vor allem in der Renaissance und dem Barock ein beliebtes Ensemble- und Soloinstrument. Ab 1750 wird die Gambe durch die moderne Streichinstrumente, vor allem durch das Violoncello verdrängt. Mit sechs oder sieben Darmsaiten bespannt, wird sie, je nach Größe entsprechend der Stimmlagen (Sopran, Alt, Tenor, Bass und Kontrabass) entweder zwischen den Beinen gehalten oder auf den Schoß gestellt. Das Griffbrett wird wie bei der Laute und Gitarre zum Teil durch Bünde eingeteilt. Zu den bekanntesten Komponisten für die Viola da Gamba zählen unter anderem Marin Marais, Sainte Colombe, Francois Couperin, Antoine Forqueray, Georg Philipp Telemann und Tobias Hume.